Waldfuchs Lese-Tutor

Übungs- und Gestaltungsprinzipien

Ausgangssituation

Kinder mit Legasthenie benötigen besondere Übungsformen um annähernd die gleiche Lesegenauigkeit und Lesegeschwindigkeit ihrer Altersgruppe zu erreichen. Dazu gibt es bereits eine Reihe wirksamer, erprobter Methoden und Materialien (siehe Kieler Leseaufbau, Lesikus, Celeco...).

Der Übergang von diesen speziellen Programmen zum eigenständigen Lesen ist allerdings erfahrungsgemäß nicht immer leicht. Um auch längere und komplexere Texte flüssig und sinnentnehmend lesen zu können ist viel Übung notwendig. Gerade Kinder mit Leseproblemen lesen aber sehr wenig und meist nur in der Schule, während geübte Leser dies auch zu ihrem Vergnügen in der Freizeit tun. Es müssen also Wege gefunden werden wie bei legasthenen Kindern die positive Rückkopplungsschleife: „Mehr Lesen – mehr Lesekompetenz – mehr Lesevergnügen – mehr Lesen“ angestoßen werden kann.

Texte

Wichtig für die Motivation mehr zu lesen ist, dass die Kinder beginnen, um des Inhalts willen zu lesen, nicht nur, weil geübt werden muss. Die Salzburger Lesepartnerstudie (Landerl, Wimmer 2006) zeigte, dass leseschwache Kinder selbst gewähltes Lesematerial mit der Unterstützung durch einen Tutor sehr gut als Übungstexte benutzen können und dabei ihre Lesekompetenz deutlich steigern können.

Für die Gruppe der Legastheniker, die bereits einfache Texte lesen können, die sich aber an übliche Kinderbücher noch nicht heranwagen, gibt es allerdings nur wenige geeignete Texte. Die regulären Bücher der eigenen Altersgruppe sind häufig zu klein gedruckt, die Wörter oft zu lang und zu schwer. Texte, die einfach zu lesen und trotzdem vom Inhalt her für die Altersgruppe geeignet sind, gibt es nur wenige, meist speziell für Legastheniker geschriebene Geschichten.

Für eine größere Auswahl ist es deshalb notwendig, normale Kinderliteratur, oder auch Sachtexte, so aufzubereiten, dass sie auch für Kinder mit verzögertem Schriftspracherwerb leicht lesbar sind. Diese Lücke möchte der Waldfuchs Lese-Tutor schließen.

Buchstabengröße und Textlänge

Beim Lese-Tutor werden die Buchstaben am Bildschirm deutlich größer als in einem üblichen Kinderbuch dargestellt. Pro Seite erscheinen nur kurze Textabschnitte, um die Kinder nicht zu entmutigen.

Silben

Der Text wird in Silben dargeboten. Eine Reihe bekannter Studien zeigt, dass es sinnvoll ist Wörter in Silben darzubieten. Sie ist eine natürliche Sprecheinheit und ist einfacher zu erlesen als ein ganzes Wort. (z.B. Scherer-Neumann, 1979, Walter 2001).
Beim Lese-Tutor wird immer die letzte Silbe farbig dargestellt, um den Fokus auf sie zu lenken. Um zu weit nach vorne gerichtete Blicksprünge zu vermeiden, wird der Text nicht als Ganzes dargeboten, sondern silbenweise aufgebaut.

Lesegeschwindigkeit

Beim Lese-Tutor springen die Silben entweder nach Drücken der Leertaste, oder automatisch mit einer vorher eingestellten Geschwindigkeit weiter. Die Lesegeschwindigkeit variiert von sehr langsam bis zu einem Tempo, das einer normalen Vorlesegeschwindigkeit entspricht.

Die verstellbare Geschwindigkeit hat zwei Funktionen. Erstens wird den Kindern ein bestimmtes, selbst gewähltes Tempo vorgegeben. Die Tendenz beim Vorlesen mit der Zeit immer langsamer zu werden wird damit unterbunden. Zweitens dient die Darstellung der Lesegeschwindigkeit als Tachometer der Rückmeldung und Motivation. Die Kinder können daran anschaulich sehen, wie schnell sie bereits lesen.

Vorlesefunktion

Schwierige Wörter kann man anklicken und sich vorlesen lassen. Dadurch wird der Text nicht zu lange durch vergebliche Leseversuche unterbrochen und der Sinnzusammenhang bleibt erhalten. Kindern, die Angst vor Misserfolg haben und sich bei Lesefehlern schämen, gibt diese Funktion Sicherheit.

Belohnung

Mittel- bis langfristig sollen das Lesevergnügen und das Interesse am Text die Motivation zum Lesen werden. Für den Anfang gibt es beim Lese-Tutor Verstärker in Form von Puzzlestücken. Nach jeder gelesenen Seite erscheinen in einem Bildfeld über dem Text weitere Puzzlestücke, die am Ende eines Abschnitts zu einem Bild zusammen gesetzt werden können.

Als zusätzliche Motivation zeigt das Programm nach jeder Übungssequenz die Lesezeit und die Silbenzahl pro Minute als Balkendiagramm an. Diese Informationen können auch ausgedruckt werden.

Mehrmals lesen

Da es Studien gibt, die zeigen, dass sich durch mehrmaliges Lesen eines Textes die Lesegeschwindigkeit auch bei nicht geübten Texten steigern lässt (Therrien 2004), ist es sinnvoll auch beim Lese-Tutor Geschichten mehrmals zu lesen. Dabei kann die Lesegeschwindigkeit sukzessive gesteigert werden.

Therapeutenfunktion

Für Therapeuten gibt es die Möglichkeit die Lesestände von mehreren Kindern zu speichern.

Abschließende Bemerkungen

Es scheint, dass Kinder auf Leseübungen am Computer besonders gut ansprechen. K. Zimdars und S. Zink, die fünf verschieden Studien zu Computerprogrammen vergleichen, stellen fest: „viele Kinder und Jugendliche können ihre Aufmerksamkeit besonders gut auf computerunterstützte Trainingsprogramme fokussieren. Die Anzahl der Wörter, die ein Kind, bzw. Jugendlicher pro Zeiteinheit liest, ist unter Verwendung eines Computers wesentlich höher als beim Lesen eines gedruckten Textes (Walter 2001).“
Sie fanden in allen fünf Studien eine eine Zunahme der Konzentration, Motivation und Ausdauer (in Suchodoletz 2006, S.73).

Mit dem Lese-Tutor machten wir bis jetzt ähnlich gute Erfahrungen. Sie ist einfach zu bedienen und die Kinder sind vor allem durch das Puzzle sehr motiviert weiter zu lesen. Teilweise fragen die Kinder selber danach, wann sie weiter lesen können, etwas, was bei den üblichen Leseübungen bis jetzt noch nicht vorkam.

In Zusammenarbeit mit dem Verlagshaus Loewe soll deshalb in nächster Zukunft eine ansprechende Bibliothek für alle Altersstufen und (fast) jeden Geschmack aufgebaut werden.

Zitierte Literatur

Landerl, K., Moser, E.: Lesepartner: Evaluierung eines 1:1 Tutoring Systems zur Verbesserung der Leseleistungen. In: Heilpädagogische Forschung 32 (2006), Seite 27-38

Suchodeletz , W. von,(Hrsg.): Therapie der Lese- Rechtschreib-Störung. Stuttgart 2006

Therrien, W.J.: Fluency and comprehension gains as a result of repeated reading. A meta-analysis. In: Remidial and Special Education 25 (2004) 252-261

Walter, J.: Förderung bei Lese-und Rechtschreibschwäche. Göttingen, 2001